Der «Geist der Freiheit» bei Karl Schmitt

Das Interview war am 30.05.2010. So weit entspricht das meiner Erinnerung. Zum Ende von Abschnitt „Die Partei zu Sarrazins Buch“ hatte ich allerdings gesagt, es sind die gleichen Leute, die einerseits die Ablehnung von Darwins Theorien durch bibeltreue amerikanische Christen verurteilen und sich andererseits darüber aufregen, wenn diese Darwin Theorie von Sarrazin auf die Gesellschaft angewendet wird  – das ist schon ein Unterschied zu dem unten stehendem. Am Ende des Interviews wird der Eindruck erweckt, als wenn ich gesagt hätte, dass Die Freiheit pro Atomkraft wäre. Ich hatte diese aber lediglich als Beispiel eines Themas erwähnt, bei dem die Mitglieder unterschiedliche Positionen haben – d.h., dass die Partei hierzu eben keine geschlossene Position vertritt.

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Geschrieben von: Olga Onokova und Moritz Rheininghaus   

Sonntag, 14. August 2011 um 18:34 Uhr

  Zum Kaffee und Plaudern beim stellvertretenden

Vorsitzenden der Partei «Die Freiheit»

 

Es gibt freundlichere Ecken in Berlin als das Industriegebiet von Reinickendorf. Wer hier im Norden der Hauptstadt etwas zu erledigen hat, fährt mit dem Auto vor und verschwindet wieder. Das ist auch besser so, denn zum Spazieren lädt die Gegend ebenso wenig ein wie zum Verweilen. Selbst die Suche nach einer einfachen Tasse Kaffee bleibt erfolglos, auf Laufkundschaft ist man hier nicht eingerichtet.                                

Im zweiten Stock eines repräsentativen, zwischen zwei vielbefahrenen Straßen eingeklemmten Bürogebäudes herrscht Ruhe. Zumindest wenn die Fenster geschlossen sind. Während in anderen Teilen des Hauses aus Marmor, Stahl und Glas große Firmen Räumlichkeiten angemietet haben, steht hier die eine Hälfte des Stockwerks leer. In der anderen hat das «Albus Business Center» seinen Sitz. Eine resolute Dame öffnet die Glastür und bittet Platz zu nehmen. Der «Chef» komme gleich, kündigt sie an, müsse nur eben noch «zu Ende telefonieren». Die Wände sind kahl, nur an einer hängen gerahmte Bilder von Motorrollern. Es riecht nach kaltem Zigarettenrauch. Die Empfangsdame bietet Wasser und Kaffee an, stellt Tassen auf den Tisch, den Kaffee vergisst sie. Den bringt kurz darauf der «Chef» persönlich. Und dann erzählt er von seinen Geschäften.

Vor knapp zehn Jahren hat Karl Schmitt einen Zuschuss vom Senat für sein «Gründerzentrum» bekommen, bis 2006 hatte dieses seinen Sitz in Pankow. Dann gab es Ärger mit dem Vermieter, der ihm nicht nur die Geschäftsidee klaute, sondern am Ende auch die Mitarbeiterin abwarb. Schmitt verlegte seinen Firmensitz deshalb lieber nach Reinickendorf, ist aber bis heute sauer. Damit das Gründerzentrum nicht «im luftleeren Raum» bestehen musste, habe er nach einem weiteren Geschäftszweig gesucht - und gefunden: «Ein Business-Center ist ein Center, bei denen Firmen ihre Geschäftsadresse haben und bestimmte Services bekommen», sagt Karl Schmitt. Die Kunden werden am Telefon vertreten, Nachrichten an sie weitergeleitet. Wer eine Firma hat, dem besorgt Herr Schmitt einen passenden Briefkasten. Nicht nur in Berlin; auch für Moskau und Schanghai bietet er dies an - inklusive «virtueller Sekretärin». Daneben veranstaltet er nach wie vor Schulungen für Existenzgründer. Außerdem habe er aber immer schon auch ein weiteres «Zweitgeschäft» gehabt, erzählt Schmitt. Derzeit handelt er mit Motorrollern. «Dreihundert Meter von hier habe ich ein Lager und eine Werkstatt. Da arbeiten drei Leute», berichtet er nicht ohne Stolz. Mit dem Slogan «Spirit of freedom» [i] bewirbt eine Internetseite die Importware. Viel wird hier über die Vorteile gegenüber «Billigrollern» gesagt, wenig über die Herkunft der hier vertriebenen Marke «Anima» selbst.                                                      

Vorbild Geert Wilders

Über den «Geist der Freiheit» wird Karl Schmitt noch viel reden an diesem frühen Nachmittag. Denn Dr. Karl Schmitt, Jahrgang 1954, ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei «Die Freiheit». Schlagzeilen hat diese gemacht, als sie im Oktober vergangenen Jahres den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders für eine Veranstaltung nach Berlin geholt hat. «Rechtspopulist» - Karl Schmitt mit den grauen, aber dichten Haaren und dem grau-grünen, aber kurzärmligen Hemd, mag diesen Ausdruck nicht. Wenn man zur Kenntnis nehme, sagt er, dass es keinen einzigen Politiker gebe, der nicht Populist sei, dann handele es sich bei dieser Bezeichnung schlicht «um die Diskreditierung einer politischen Richtung». Einer politischen Richtung, die bis tief in die «Mitte der Gesellschaft» hineinreiche. Das bedeutet für ihn, dass der Ausdruck vor allem von Vertretern «linker Parteien» dazu missbraucht werde, alles zu verleumden, «was nicht ihrer Richtung» entspreche. Zunächst habe man, erklärt Karl Schmitt, Rechtsextremisten bekämpft - «mit Recht», wie er rasch hinzufügt. Dann habe man Rechtsradikale bekämpft. «Radikal» heiße aber, erklärt Schmitt, dass sich die Angegriffenen noch «im demokratischen Spektrum» befänden: «Bitteschön», sagt Herr Schmitt, das sei ja wohl «sehr fragwürdig. Denn schließlich käme ja niemand auf die Idee, solche Programme gegen Linksradikale aufzulegen.»

Zwangläufig, so prophezeit Schmitt, schließe sich der nächste Schritt an: «Man hat den sogenannten Populismus als ungehörige politische Richtung erfunden». Der stelle aber in Wahrheit nicht anderes als die «politische Mitte» dar. Das habe aber, sagt Karl Schmitt, mit Demokratie «schon nix mehr zu tun». «Wir selber sehen uns nicht als Rechtpopulisten», sagt er mit Nachdruck über die Partei «Die Freiheit», schiebt aber auch gleich hinterher, dass er wenig von der Einteilung des politischen Spektrums in «rechts» und «links» hält. Eigentlich reduziere sich diese Unterscheidung doch auf die Frage: «national oder international». «Nationalistisch» bedeute «rechtsradikal» oder «rechtsextrem», «internationalistische Positionen» finde man dagegen im «linksradikalen Lager» vor. Das ist für ihn der Unterschied.

Seine Partei, die sich «Die Freiheit» nennt, bezeichnet sich selbst als «Bürgerrechtspartei». In diesem Sinne fordert sie «mehr Freiheit und Demokratie». Aufsehen erregt sie jedoch eher „Anti-Islam-Partei“.  

Kampf gegen den „politischen Islam“

„Natürlich“, sagt Karl Schmitt, habe man in seiner Partei nichts dagegen, dass säkulare Muslime „hier im Lande“ leben, Menschen die ihre Kinder großziehen, studieren oder „was auch immer“ tun. «Ganz normale Menschen, die hier leben und arbeiten», nennt er diese. Im Grunde, so führt Schmitt aus, gehe es ihm ja darum, mit diesen säkularisierten Muslimen das «friedliche Zusammenleben zu sichern». «Doch», so wendet Karl Schmitt ein, «die Muslime fordern Toleranz, damit sie ihre Traditionen pflegen können». Und diese Traditionen beinhalten nun einmal auch «Gewalt gegen Andersgläubige, rassistische Beleidigungen, Beschimpfungen auch von Deutschen, Beleidigung von Frauen mit leichter Kleidung und schließlich auch die Tradition, bei der die eigenen Frauen, die aus der Reihe tanzen, die sich der säkularisierten Welt zuwenden wollen, bedrängt und auch sogar getötet werden.» Wie das aussieht, weiß Karl Schmitt genau: «Zur Aufrechterhaltung der Ehre in der Familie wird der jüngste Bruder, weil er am wenigsten strafrechtlich belangt werden kann, losgeschickt und soll die Ehre durch den Mord der eigenen Schwester aufrechterhalten.» Und da hat Karl Schmitt eine klare Haltung: «Auf solche Werte legen wir keinen Wert. Wenn das das Deutschland sein soll, das wir in 30 Jahren zu erwarten haben, dann sehen wir in der Tat es als notwendig an, uns heute hinzustellen und unsere europäische Kultur, die Werte der Aufklärung zu verteidigen.» Dass er selbst vor ein paar Jahren damit begonnen habe, sich in der «islamkritischen Bürgerbewegung „Pax Europa"» zu engagieren, so Karl Schmitt, habe an der Vorstellung gelegen, dass seine Enkeltöchter eines Tages gezwungen werden könnten, ein Kopftuch zu tragen, «mit allem, was religiös dazu gehört». Und wer das für Schwarz-Weiß-Malerei halte, der solle sich mal anschauen, «wie es in islamischen Ländern aussieht».

Wenn in Neukölln, Kreuzberg oder Wedding viele Muslime lebten, die «irgendwo beten gehen» wollen, dann brauche man eben Moscheen. «Es ist doch völlig in Ordnung, hat keiner was gegen», sagt Karl Schmitt. Problematisch würde das ganze werden, wenn «große Moscheen in der Stadt gebaut werden», die «nicht zufällig nach islamischen Eroberern» benannt und als «Trutzburgen» aufgefasst würden, die man in einem «zu besetzenden Land» errichte, «um das Land zu okkupieren». «Wir unterscheiden zwischen den Moscheen, wo die Leute beten wollen und den Moscheen, die eine geschlossene Gesellschaft sind», stellt Karl Schmitt klar. Auch hier legt er Wert darauf, dass man in der «Freiheit» durchaus eine differenzierte Sicht hat, dass hier nicht Rassismus, sondern Vorsicht spricht. «Viele Einwanderer kommen ins Land und sind neugierig, auf diese Gesellschaft, auf den Reichtum, den sie hier antreffen.» Aber, sagt Karl Schmitt und blickt ernst über die Lesebrille, es kämen eben auch muslimische Zuwanderer «in unser Land», die hier einen Sündenpfuhl sähen - einen Sündenpfuhl, den man reinigen müsse. Und es werde ihnen von ihrem Imam oft gesagt: «Es gibt eine Wahrheit, die steht im Koran». Das ist es, wovor Karl Schmitt sich fürchtet.

Immer lecker: Schweinfleisch

Konkret sieht die Gefahr für Karl Schmitt so aus: «In ganz vielen Kindergärten wird den Leuten erklärt, dass Schweinefleisch nichts Schönes ist und dass es besser wäre, wenn alle Kinder gar kein Schweinefleisch mehr essen. Warum das Ganze? Weil der islamische Bevölkerungsteil gesagt hat: Schweinefleisch kommt für ihre Kinder nicht in Frage.» Seit wenigen Jahren sei es nun so, dass in den Schulen Ähnliches zu beobachten sei: «In vielen Berliner Schulen gibt es nur noch Essen für alle Kinder, welches halal ist. Warum? Weil es einfach ist. Die muslimische Bevölkerung besteht darauf, dass ihre Kinder solches Essen bekommen und der Rest sagt: Naja, warum nicht?» Und das werde dann noch alles schön-geredet und am Ende würden die Gefahren des Schweinefleischs heraufbeschworen.

Dass der Islam nicht die einzige mono-theistische Religion ist, die den Verzehr von Schweinischem nicht gutheißt, beachtet Herr Schmitt nicht. Er redet lieber darüber, was seiner Meinung nach passieren wird: Wenn man diese Entwicklung weiter fortrechne, könne man sich vorstellen, wie eine etwaige Diskussion über Schuluniformen geführt werde: «Es wird gesagt: „Es wäre nett, wenn alle Mädchen Kopftuch tragen..."».

Das Zusammenleben der Kulturen, wie Karl Schmitt es sich vorstellt, sieht anders aus. Doch zunächst spricht er darüber, wie es seiner Meinung nach nicht aussehen darf: Wenn «Multikulti» allzu oft als Gegenentwurf zu «unserer deutschen Kultur» aufgefasst werde, dann halte er das Konzept schlicht für falsch. Im «grünen Lager», so Schmitt, vertrete man die Auffassung, dass die deutsche Gesellschaft «verdünnt» werden müsse. Es gebe dieser Position zufolge einen «deutschen Nazi-Ungeist den wir wohl alle in den Genen haben, angeblich ...» Und der einzige Weg, um Deutschland zu retten, sei demnach «Deutschland durch Zuwanderung zu „verdünnen"». Karl Schmitt schüttelt den Kopf. Wenn das mit «Multikulti» gemeint sei, dann lehne er das als Gegenentwurf zur «deutschen Kultur» ab. Auch hier bezieht «Die Freiheit» eine wohldurchdacht und nur schwer angreifbare Position: «Uns ist der Erhalt der Kultur wichtig. Das heißt aber keineswegs, dass bei uns keine ethnischen oder nationalen Minderheiten leben können und ihre mitgebrachten Traditionen pflegen können. Das ist völlig in Ordnung.» Was man in der Partei aber auch nicht wolle, sei ein «multikultureller Brei», bei dem Christen «plötzlich die Feiertage der Muslims mitfeiern und umgekehrt». Wenn alles «miteinander vermischt und wertlos» geworden sei, dann werde aus «Multikulti» schließlich «kulturelle Verwüstung». «Wem soll das dienen?», fragt Karl Schmitt. Zumal gerade die Muslime m ihrem «gefestigten Glauben und Traditionen bei dieser «Verbreiung» nicht mitmachten. Dennoch sieht er die Gefahr, dass durch «dieses öffentlich finanzierte „Multikulti"» in 30 Jahren «aus dem Abendland das Morgenland geworden ist». Ein «Nebeneinander, ein tolerantes Nebeneinander der Kulturen jedoch», betont Herr Schmitt, sei «völlig in Ordnung und gut.» Das könne aber nicht heißen, dass die eine Seite die andere Seite beschimpfe und als «Ungläubige» verurteile oder gar attackiere. Denn genau das beobachtet Karl Schmitt - und es macht ihm Sorge.

Die Partei zu Sarrazins Buch

Nicht selten wird «Die Freiheit» als die «Partei zu Thilo Sarrazins Buch» bezeichnet. Karl Schmitt murmelt leise «Ja, das stimmt.» Als er und seine Freunde im Sommer vergangenen Jahres zusammensaßen und darüber nachdachten, wie ihre Partei aussehen könnte, sei gerade die Diskussion über Sarrazins «Deutschland schafft sich ab» aufgekommen. «Wir kommen aus der islamkritischen Bewegung, wir wussten, was wir wollen.» Interessant sei doch gewesen, dass viele über das Buch sprachen, aber die Umfragen auf der Straße zum Thema «Sarrazin» gemacht worden seien, als es das Buch noch gar nicht gegeben habe. Gerade da sei deutlich geworden, dass ein großer Teil der Bevölkerung der Meinung sei, dass da «was dran» sei, es tatsächlich Probleme gebe, die man ansprechen müsse. Wenn man nur von der «Bereicherung unserer Kultur durch jeden Einwanderer» spreche, müsse man «schon unterscheiden zwischen den Einwanderern, die mit uns friedlich leben wollen und anderen Einwanderern, die offen sagen, was sie von den „Scheiß-Deutschen" halten».

Wiederum bemüht sich Karl Schmitt, nicht in einen polemischen Ton zu verfallen. Man müsse, führt er nach einer Pause des Luftholens aus, ernsthaft überlegen, wie man die hohe Zahl der Arbeitslosen bei «unseren muslimischen Mitbürgern» in den Griff bekomme, wie man die «Leute zur Arbeit kriegt» und zu «gleichwertigen Mitgliedern unserer Gesellschaft macht». Denn damit sei ein Teil des Problems, die «Verlockung durch den Imam», gebannt. Ein arbeitsloser junger Muslim könne von radikalen Geistlichen leicht davon überzeugt werden, dass er alles andere als rechtlos, einer von ihnen sei, «einer von den Leuten, die zum Herrschen bestimmt sind.» Das seien dieselben Mittel, sagt Karl Schmitt, «mit denen die Faschisten die Leute verführt haben».

Er glaube, dass Thilo Sarrazin mit seinen Hinweisen darauf, wie sich unsere Gesellschaft entwickelt, Recht habe. Außerdem habe Sarrazin «Die Freiheit» von einer großen Last befreit: «Wir freuen uns darüber, dass wir an der Reaktion zu Sarrazins Buch feststellen konnten, dass wir nicht in einer kleinen extremistischen Ecke stehen.» Wenn sie heute auf die Straße gingen, mit ihren Postkarten, mit ihren Thesen, dann bekämen sie viel Zuspruch von den Leuten. Unverhohlen unterstützt Karl Schmitt die darwinistischen Thesen Sarrazins. Man müsse sich schon genau überlegen, dass man nicht einerseits die Ablehnung von Darwins Theorien durch bibeltreue amerikanische Christen verurteilen könne und dann Darwins Theorie nicht auf die Gesellschaft anwenden. Meint Karl Schmitt.

«Erfolgreiche Integration»

Eine gelungene Integration, wie muss die nach Karl Schmitts Auffassung aussehen? Nach einer Pause, antwortet Schmitt langsam, dass alle gleichermaßen zu einem friedlichen, toleranten Zusammenleben in der modernen Gesellschaft beitragen müssten: «Wenn wir von der Modernen sprechen, dann meinen wir die Aufklärung». Alle, die hier leben, müssten sich auch integrieren wollen. Es sei dabei nicht so wichtig, ob sie unter sich lieber Russisch oder Chinesisch oder «meinetwegen auch Tür-kisch» sprechen wollten. «Aber problematisch wird's, wenn sich sehr große Gruppen bilden, die einen ganz anderen Staat wollen und sich dem Gesetz der Scharia viel mehr verpflichtet als unserer bürgerlichen Ordnung.». Wenn «andere Leute», etwa aus dem rechten Lager, so etwas sagten, dann komme sofort das Strafrecht und stelle fest, dass es sich bei ihnen um Verfassungsfeinde handele.

Dann präzisiert Karl Schmitt seine Haltung gegenüber Zuwanderern. Es könne ja nicht sein, sagt er, dass man einerseits beklage, dass es in Deutschland zu wenige Kinder gebe und man deshalb Einwanderung brauche, im nächsten Schritt man dann aber sage, dass die Integration zu viel Geld koste. «Dann wäre ich dafür», sagt er, «dass man dann lieber die eigenen Familien fördert».

«Deutsche Werte»

Wie sehen die «deutschen Werte», die immer wieder durch die Programmatik der «Freiheit» geistern, denn nun genau aus? Karl Schmitt zögert, überlegt und wird ungewohnt unsicher. Rasch wirft er einen Blick in seine Unterlagen, doch auch hier findet er keine Antwort. Die Frage war nicht abgesprochen. «Also», sagt Karl Schmitt, «es ist nicht so, dass dies festgefügt und in Stein gehauen wäre». Es gebe zum Beispiel eine «Kultur des 19. Jahrhunderts, die sich deutlich von der des 20. Jahrhunderts» unterscheide, sagt er nun. Sicher, es habe «bürgerliche Literaten» gegeben, die «bestimmte Sachen konserviert» hätten, in der Literatur, versteht sich. Doch auch in seiner Partei sei man sich darüber im Klaren, dass sich die «meisten Aspekte des Zusammenlebens» in den letzten «100 bis 150 Jahren gewaltig verändert» haben. Und sich auch in der Zukunft verändern werden. Als in der Zeit der Industrialisierung unzählige polnische Einwanderer ins Ruhrgebiet, seiner eigenen Heimat, gezogen seien, habe es dort unglaubliche Vorbehalte gegen die Neuankömmlinge gegeben. Als er noch jung war, habe er solche Vorbehalte noch aus dem Mund seines Vaters gehört. «Schnee von gestern», sagt Karl Schmitt. Heute sei es ja ganz selbstverständlich, dass Polen im Ruhrgebiet leben. Das einzige, woran man sie erkenne, seien ihre Namen, die «etwas polnisch klingen». Ansonsten habe sich «alles assimiliert». Aber nicht in dem Sinne, dass die Polen sich jetzt in jeder Hinsicht an die Deutschen angepasst hätten, sondern tatsächlich eine «Mischung» entstanden sei. «Das ist völlig in Ordnung», resümiert Karl Schmitt. Die «deutschen Werte» sollten, da ist er sich sicher, nicht genauso aussehen, wie vor 100 Jahren. Was man aber aufrechterhalten wolle, seien die «noch nicht uralten Werte» der Aufklärung. «Wenn wir unsere Werte verteidigen wollen, dann ja, wir wollen Toleranz, die Freiheit, die wir heute haben. Es sollte auch in Zukunft möglich sein, dass man politische Entscheidungsfindung hat, dass man gemeinsam darüber nachdenkt, welche Gesetze brauchen wir, welche Maßnahmen brauchen wir», gibt sich Schmitt plötzlich kämpferisch. Es könne nicht sein, dass man dem Koran, einem «1.500 Jahre alten Buch», seine Handlungsempfehlung entnehme, «wie es in der islamischen Welt stattfindet».

«Prima miteinander friedlich leben»

Bedrohen auch russische und jüdische Kultur die «deutschen Werte»? Ist er mit dem Tempo der Integration der Einwanderer aus dem postsowjetischen Raum zufrieden? Die Fragen haben Brisanz, werden sie doch von einer russischsprachigen Immigrantin geäußert. Karl Schmitt windet sich: «Wir wissen, dass es seit Jahrhunderten so war, dass es immer wieder Zeiten gegeben hat, wo die Juden verfolgt waren. Das soll auch nie mehr wieder vorkommen», sagt er. Und inwiefern jetzt russische Juden «mehr Russen oder mehr Juden» seien, könne er so gar nicht sagen: «Ich sehe da gar kein Problem. Ich glaube, dass wir prima miteinander friedlich leben können». Dass die Leute, die hierherkommen, gerade in einer fremden Gesellschaft und angesichts beruflicher Probleme ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelten, könne er «gut verstehen».

«Bei den Russen», erklärt Karl Schmitt, «haben wir zwei große Gruppen: russische Deutsche und Russen jüdischen Glaubens.» Bei den beiden Gruppen könne er gut verstehen, dass sie «russisch geprägt» seien, dass sie zwei Herzen in der Brust hätten. «Ich weiß ja nicht viel darüber», bittet er um Verständnis, doch sei es ja immer so, dass die erste Emigranten-Generation, immer...», Karl Schmitt beendet den Satz nicht, sondern beginnt einen neuen: «Man weiß, es kommt immer mit der nächsten Generation, dass es sich langsam auflöst.» Dann überlegt er noch einmal, blickt in die Ferne und kommt zu dem Schluss: «Deshalb bin ich der Meinung, dass das Tempo völlig okay ist». Wirklich problematisch ist das für ihn ohnehin nicht, da Russland für ihn «zu Europa» gehört - und die jüdische Kultur natürlich auch.

Die Sache mit den Juden

Wie der Zentralrat der Juden in Deutschland zu seiner Partei steht, ist Karl Schmitt nicht bekannt. Da man aber dessen, teilweise sehr kritische Äußerungen zu Thilo Sarrazin kenne, nehme man an, dass der Zentralrat «wohl Vorbehalte» gegenüber der Partei habe.

Im vergangenen Dezember war Karl Schmitt erstmals in Israel. Eliezer Cohen, ehemaliges Mitglied der Knesset, hatte sich mit einer Gegeneinladung dafür revanchiert, dass er bei der Veranstaltung in Berlin mit Geert Wilders dabei sein durfte. Man sei, so berichtet Schmitt von den Leuten, die man in der «westlichen Presse als „Right Wing" einordnen würde», mehr als freundlich aufgenommen worden: «Wir haben festgestellt, dass es Leute gibt, zum Beispiel Vertreter von Siedlern aus dem Westjordanland, die mit uns ihre Hoffnung verbinden. Weil die wissen ja, was ihnen heute für ein Wind aus Europa entgegenweht.» Das hat Schmitts Eindruck bestätigt, dass «Israel teil Europas ist». . .

Wahlprognosen

«Naja», sagt Karl Schmitt, auf seine Erwartungen bezüglich der im September statt-findenden Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus angesprochen: «Einzuziehen». «Wir sind keine unrealistischen Träumer, Hoffnung macht uns die Reaktion auf der Straße.» Man habe sich, betont er, deutlich von den «rechtsradikalen Parteien» distanziert. «Wir hatten ein paar NPD-Mitglieder, die wollten bei uns rein, wir hatten ein paar von „ProDeutschland", die wollten bei uns rein, wir haben sie nicht in die Partei gelassen. Wir sehen uns als Bürgerrechtspartei.» Man überlege, sagt Karl Schmitt, sogar ernsthaft, den Namenszusatz der Partei zu ändern. Viele Leute bekämen es in den falschen Hals, wenn sie das Wörtchen «rechts» hörten. «Wir glauben, dass wir eine echte Alternative für viele Leute sein können» und er könnte damit Recht haben. «Viele von uns kommen aus der CDU», sagt Karl Schmitt und meint damit nicht nur sich und den Parteivorsitzenden Rene Stadtkewitz, sondern die Mehrzahl im Parteivorstand. «Wir haben auch viele Mitglieder, die bei der SPD, bei den Grünen, viele, die bei der FDP waren», erzählt er. Den Pressesprecher der Partei, Thomas Böhm, erwähnt Schmitt nicht. Böhm, so wird berichtet, war in den 70er Jahren noch bei der DKP. Viele der momentan 1.800 Mitglieder, sagt Karl Schmitt, waren noch nie in einer Partei. Diese, ebenso wie die potentiellen Wähler, vermutet er «in der Mitte der Gesellschaft» und verweist darauf, dass «Die Freiheit» mehr im Repertoire hat als «Islamkritik»: Eurorettungsschirm und Atomkraft etwa, auch wenn er zugeben muss, dass sich hier in der Partei die Geister scheiden.

Karl Schmitt hat zwei Kinder, beide studieren jetzt, hier in Berlin. Ob sie seine politische Haltung teilen? Schmitt überlegt, die Frage beschäftigt ihn offenbar auch selbst. «Naja», sagt Karl Schmitt, «Menschen unter 30 sehen die Dinge manchmal ganz anders».

 "Jüdische Zeitung", №64, Juni 2011,

 



[i] Seit 2007, da gab es nicht mals den Ansatz zur Partei-Idee