Der «Geist der Freiheit» bei Karl Schmitt
Das Interview war am 30.05.2010. So weit
entspricht das meiner Erinnerung. Zum Ende von Abschnitt „Die Partei zu Sarrazins Buch“ hatte ich allerdings gesagt, es sind die
gleichen Leute, die einerseits die Ablehnung
von Darwins Theorien durch bibeltreue amerikanische
Christen verurteilen und sich andererseits darüber aufregen, wenn diese Darwin
Theorie von Sarrazin auf die Gesellschaft angewendet
wird – das ist schon ein Unterschied zu
dem unten stehendem. Am Ende des Interviews wird der Eindruck erweckt, als wenn
ich gesagt hätte, dass Die Freiheit pro Atomkraft wäre. Ich hatte diese aber lediglich
als Beispiel eines Themas erwähnt, bei dem die Mitglieder unterschiedliche
Positionen haben – d.h., dass die Partei hierzu eben keine geschlossene
Position vertritt.
http://www.freie-juedische-meinung.de/de/kommentare-der-juedischen-presse-juedische-zeitung/423-der-lgeist-der-freiheitr-bei-karl-schmitt
Geschrieben von: Olga Onokova und
Moritz Rheininghaus |
Sonntag, 14. August 2011 um 18:34 Uhr |
Zum Kaffee und Plaudern beim
stellvertretenden Vorsitzenden der Partei «Die Freiheit» Es gibt
freundlichere Ecken in Berlin als das Industriegebiet von Reinickendorf. Wer hier
im Norden der Hauptstadt etwas zu erledigen hat, fährt mit dem Auto vor und
verschwindet wieder. Das ist auch besser so, denn zum Spazieren lädt die
Gegend ebenso wenig ein wie zum Verweilen. Selbst die Suche nach einer
einfachen Tasse Kaffee bleibt erfolglos, auf Laufkundschaft ist man hier
nicht eingerichtet.
Im zweiten Stock
eines repräsentativen, zwischen zwei vielbefahrenen Straßen eingeklemmten
Bürogebäudes herrscht Ruhe. Zumindest wenn die Fenster geschlossen sind. Während
in anderen Teilen des Hauses aus Marmor, Stahl und Glas große Firmen
Räumlichkeiten angemietet haben, steht hier die eine Hälfte des Stockwerks
leer. In der anderen hat das «Albus Business Center» seinen Sitz. Eine
resolute Dame öffnet die Glastür und bittet Platz zu nehmen. Der «Chef» komme
gleich, kündigt sie an, müsse nur eben noch «zu Ende telefonieren». Die Wände
sind kahl, nur an einer hängen gerahmte Bilder von Motorrollern. Es riecht
nach kaltem Zigarettenrauch. Die Empfangsdame bietet Wasser und Kaffee an,
stellt Tassen auf den Tisch, den Kaffee vergisst sie. Den bringt kurz darauf
der «Chef» persönlich. Und dann erzählt er von seinen Geschäften. Vor knapp zehn
Jahren hat Karl Schmitt einen Zuschuss vom Senat für sein «Gründerzentrum»
bekommen, bis 2006 hatte dieses seinen Sitz in Pankow. Dann gab es Ärger mit
dem Vermieter, der ihm nicht nur die Geschäftsidee klaute, sondern am Ende
auch die Mitarbeiterin abwarb. Schmitt verlegte seinen Firmensitz deshalb
lieber nach Reinickendorf, ist aber bis heute sauer. Damit das Gründerzentrum
nicht «im luftleeren Raum» bestehen musste, habe er nach einem weiteren
Geschäftszweig gesucht - und gefunden: «Ein Business-Center ist ein Center,
bei denen Firmen ihre Geschäftsadresse haben und bestimmte Services
bekommen», sagt Karl Schmitt. Die Kunden werden am Telefon vertreten,
Nachrichten an sie weitergeleitet. Wer eine Firma hat, dem besorgt Herr
Schmitt einen passenden Briefkasten. Nicht nur in Berlin; auch für Moskau und
Schanghai bietet er dies an - inklusive «virtueller Sekretärin». Daneben
veranstaltet er nach wie vor Schulungen für Existenzgründer. Außerdem habe er
aber immer schon auch ein weiteres «Zweitgeschäft» gehabt, erzählt Schmitt.
Derzeit handelt er mit Motorrollern. «Dreihundert Meter von hier habe ich ein
Lager und eine Werkstatt. Da arbeiten drei Leute», berichtet er nicht ohne
Stolz. Mit dem Slogan «Spirit of freedom» [i]
bewirbt eine Internetseite die Importware. Viel wird hier über die Vorteile
gegenüber «Billigrollern» gesagt, wenig über die Herkunft der hier
vertriebenen Marke «Anima» selbst.
Vorbild Geert Wilders Über den «Geist der Freiheit» wird Karl Schmitt noch viel reden an diesem frühen Nachmittag. Denn Dr. Karl Schmitt, Jahrgang 1954, ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei «Die Freiheit». Schlagzeilen hat diese gemacht, als sie im Oktober vergangenen Jahres den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders für eine Veranstaltung nach Berlin geholt hat. «Rechtspopulist» - Karl Schmitt mit den grauen, aber dichten Haaren und dem grau-grünen, aber kurzärmligen Hemd, mag diesen Ausdruck nicht. Wenn man zur Kenntnis nehme, sagt er, dass es keinen einzigen Politiker gebe, der nicht Populist sei, dann handele es sich bei dieser Bezeichnung schlicht «um die Diskreditierung einer politischen Richtung». Einer politischen Richtung, die bis tief in die «Mitte der Gesellschaft» hineinreiche. Das bedeutet für ihn, dass der Ausdruck vor allem von Vertretern «linker Parteien» dazu missbraucht werde, alles zu verleumden, «was nicht ihrer Richtung» entspreche. Zunächst habe man, erklärt Karl Schmitt, Rechtsextremisten bekämpft - «mit Recht», wie er rasch hinzufügt. Dann habe man Rechtsradikale bekämpft. «Radikal» heiße aber, erklärt Schmitt, dass sich die Angegriffenen noch «im demokratischen Spektrum» befänden: «Bitteschön», sagt Herr Schmitt, das sei ja wohl «sehr fragwürdig. Denn schließlich käme ja niemand auf die Idee, solche Programme gegen Linksradikale aufzulegen.» Zwangläufig, so prophezeit Schmitt, schließe sich der nächste Schritt an: «Man hat den sogenannten Populismus als ungehörige politische Richtung erfunden». Der stelle aber in Wahrheit nicht anderes als die «politische Mitte» dar. Das habe aber, sagt Karl Schmitt, mit Demokratie «schon nix mehr zu tun». «Wir selber sehen uns nicht als Rechtpopulisten», sagt er mit Nachdruck über die Partei «Die Freiheit», schiebt aber auch gleich hinterher, dass er wenig von der Einteilung des politischen Spektrums in «rechts» und «links» hält. Eigentlich reduziere sich diese Unterscheidung doch auf die Frage: «national oder international». «Nationalistisch» bedeute «rechtsradikal» oder «rechtsextrem», «internationalistische Positionen» finde man dagegen im «linksradikalen Lager» vor. Das ist für ihn der Unterschied. Seine Partei, die sich «Die Freiheit» nennt, bezeichnet
sich selbst als «Bürgerrechtspartei». In diesem Sinne fordert sie «mehr
Freiheit und Demokratie». Aufsehen erregt sie jedoch eher
„Anti-Islam-Partei“. Kampf gegen den „politischen Islam“ „Natürlich“, sagt
Karl Schmitt, habe man in seiner Partei nichts dagegen, dass säkulare Muslime
„hier im Lande“ leben, Menschen die ihre Kinder großziehen, studieren oder „was auch immer“ tun. «Ganz normale
Menschen, die hier leben und arbeiten», nennt er diese. Im Grunde, so führt
Schmitt aus, gehe es ihm ja darum, mit diesen säkularisierten Muslimen das
«friedliche Zusammenleben zu sichern». «Doch», so wendet Karl Schmitt ein,
«die Muslime fordern Toleranz, damit sie ihre Traditionen pflegen können».
Und diese Traditionen beinhalten nun einmal auch «Gewalt gegen
Andersgläubige, rassistische Beleidigungen, Beschimpfungen auch von
Deutschen, Beleidigung von Frauen mit leichter Kleidung und schließlich auch
die Tradition, bei der die eigenen Frauen, die aus der Reihe tanzen, die sich
der säkularisierten Welt zuwenden wollen, bedrängt und auch sogar getötet
werden.» Wie das aussieht, weiß Karl Schmitt genau: «Zur Aufrechterhaltung
der Ehre in der Familie wird der jüngste Bruder, weil er am wenigsten
strafrechtlich belangt werden kann, losgeschickt und soll die Ehre durch den
Mord der eigenen Schwester aufrechterhalten.» Und da hat Karl Schmitt eine
klare Haltung: «Auf solche Werte legen wir keinen Wert. Wenn das das
Deutschland sein soll, das wir in 30 Jahren zu erwarten haben, dann sehen wir
in der Tat es als notwendig an, uns heute hinzustellen und unsere europäische
Kultur, die Werte der Aufklärung zu verteidigen.» Dass er selbst vor ein paar
Jahren damit begonnen habe, sich in der «islamkritischen Bürgerbewegung „Pax
Europa"» zu engagieren, so Karl Schmitt, habe an der Vorstellung
gelegen, dass seine Enkeltöchter eines Tages gezwungen werden könnten, ein
Kopftuch zu tragen, «mit allem, was religiös dazu gehört». Und wer das für
Schwarz-Weiß-Malerei halte, der solle sich mal anschauen, «wie es in
islamischen Ländern aussieht». Wenn in Neukölln,
Kreuzberg oder Wedding viele Muslime lebten, die «irgendwo beten gehen»
wollen, dann brauche man eben Moscheen. «Es ist doch völlig in Ordnung, hat
keiner was gegen», sagt Karl Schmitt. Problematisch würde das ganze werden,
wenn «große Moscheen in der Stadt gebaut werden», die «nicht zufällig nach
islamischen Eroberern» benannt und als «Trutzburgen» aufgefasst würden, die
man in einem «zu besetzenden Land» errichte, «um das Land zu okkupieren».
«Wir unterscheiden zwischen den Moscheen, wo die Leute beten wollen und den
Moscheen, die eine geschlossene Gesellschaft sind», stellt Karl Schmitt klar.
Auch hier legt er Wert darauf, dass man in der «Freiheit» durchaus eine
differenzierte Sicht hat, dass hier nicht Rassismus, sondern Vorsicht
spricht. «Viele Einwanderer kommen ins Land und sind neugierig, auf diese
Gesellschaft, auf den Reichtum, den sie hier antreffen.» Aber, sagt Karl
Schmitt und blickt ernst über die Lesebrille, es kämen eben auch muslimische
Zuwanderer «in unser Land», die hier einen Sündenpfuhl sähen - einen
Sündenpfuhl, den man reinigen müsse. Und es werde ihnen von ihrem Imam oft
gesagt: «Es gibt eine Wahrheit, die steht im Koran». Das ist es, wovor Karl
Schmitt sich fürchtet. Immer lecker: Schweinfleisch Konkret sieht die
Gefahr für Karl Schmitt so aus: «In ganz vielen Kindergärten wird den Leuten
erklärt, dass Schweinefleisch nichts Schönes ist und dass es besser wäre,
wenn alle Kinder gar kein Schweinefleisch mehr essen. Warum das Ganze? Weil
der islamische Bevölkerungsteil gesagt hat: Schweinefleisch kommt für ihre
Kinder nicht in Frage.» Seit wenigen Jahren sei es nun so, dass in den
Schulen Ähnliches zu beobachten sei: «In vielen Berliner Schulen gibt es nur
noch Essen für alle Kinder, welches halal ist.
Warum? Weil es einfach ist. Die muslimische Bevölkerung besteht darauf, dass
ihre Kinder solches Essen bekommen und der Rest sagt: Naja, warum nicht?» Und
das werde dann noch alles schön-geredet und am Ende würden die Gefahren des
Schweinefleischs heraufbeschworen. Dass der Islam nicht
die einzige mono-theistische Religion ist, die den Verzehr von Schweinischem nicht
gutheißt, beachtet Herr Schmitt nicht. Er redet lieber darüber, was seiner
Meinung nach passieren wird: Wenn man diese Entwicklung weiter fortrechne,
könne man sich vorstellen, wie eine etwaige Diskussion über Schuluniformen
geführt werde: «Es wird gesagt: „Es wäre nett, wenn alle Mädchen Kopftuch
tragen..."». Das Zusammenleben
der Kulturen, wie Karl Schmitt es sich vorstellt, sieht anders aus. Doch
zunächst spricht er darüber, wie es seiner Meinung nach nicht aussehen darf:
Wenn «Multikulti» allzu oft als Gegenentwurf zu «unserer deutschen Kultur»
aufgefasst werde, dann halte er das Konzept schlicht für falsch. Im «grünen
Lager», so Schmitt, vertrete man die Auffassung, dass die deutsche
Gesellschaft «verdünnt» werden müsse. Es gebe dieser Position zufolge einen
«deutschen Nazi-Ungeist den wir wohl alle in den Genen haben, angeblich ...»
Und der einzige Weg, um Deutschland zu retten, sei demnach «Deutschland durch
Zuwanderung zu „verdünnen"». Karl Schmitt schüttelt den Kopf. Wenn das
mit «Multikulti» gemeint sei, dann lehne er das als Gegenentwurf zur
«deutschen Kultur» ab. Auch hier bezieht «Die Freiheit» eine wohldurchdacht
und nur schwer angreifbare Position: «Uns ist der Erhalt der Kultur wichtig.
Das heißt aber keineswegs, dass bei uns keine ethnischen oder nationalen
Minderheiten leben können und ihre mitgebrachten Traditionen pflegen können.
Das ist völlig in Ordnung.» Was man in der Partei aber auch nicht wolle, sei
ein «multikultureller Brei», bei dem Christen «plötzlich die Feiertage der
Muslims mitfeiern und umgekehrt». Wenn alles «miteinander vermischt und
wertlos» geworden sei, dann werde aus «Multikulti» schließlich «kulturelle
Verwüstung». «Wem soll das dienen?», fragt Karl Schmitt. Zumal gerade die
Muslime m ihrem «gefestigten Glauben und Traditionen bei dieser «Verbreiung» nicht mitmachten. Dennoch sieht er die
Gefahr, dass durch «dieses öffentlich finanzierte „Multikulti"» in 30
Jahren «aus dem Abendland das Morgenland geworden ist». Ein «Nebeneinander,
ein tolerantes Nebeneinander der Kulturen jedoch», betont Herr Schmitt, sei
«völlig in Ordnung und gut.» Das könne aber nicht heißen, dass die eine Seite
die andere Seite beschimpfe und als «Ungläubige» verurteile oder gar
attackiere. Denn genau das beobachtet Karl Schmitt - und es macht ihm Sorge. Die Partei zu Sarrazins
Buch Nicht selten wird
«Die Freiheit» als die «Partei zu Thilo Sarrazins
Buch» bezeichnet. Karl Schmitt murmelt leise «Ja, das stimmt.» Als er und
seine Freunde im Sommer vergangenen Jahres zusammensaßen und darüber nachdachten,
wie ihre Partei aussehen könnte, sei gerade die Diskussion über Sarrazins «Deutschland schafft sich ab» aufgekommen. «Wir
kommen aus der islamkritischen Bewegung, wir wussten, was wir wollen.»
Interessant sei doch gewesen, dass viele über das Buch sprachen, aber die
Umfragen auf der Straße zum Thema «Sarrazin»
gemacht worden seien, als es das Buch noch gar nicht gegeben habe. Gerade da
sei deutlich geworden, dass ein großer Teil der Bevölkerung der Meinung sei,
dass da «was dran» sei, es tatsächlich Probleme gebe, die man ansprechen
müsse. Wenn man nur von der «Bereicherung unserer Kultur durch jeden
Einwanderer» spreche, müsse man «schon unterscheiden zwischen den
Einwanderern, die mit uns friedlich leben wollen und anderen Einwanderern,
die offen sagen, was sie von den „Scheiß-Deutschen" halten». Wiederum bemüht sich
Karl Schmitt, nicht in einen polemischen Ton zu verfallen. Man müsse, führt
er nach einer Pause des Luftholens aus, ernsthaft überlegen, wie man die hohe
Zahl der Arbeitslosen bei «unseren muslimischen Mitbürgern» in den Griff
bekomme, wie man die «Leute zur Arbeit kriegt» und zu «gleichwertigen
Mitgliedern unserer Gesellschaft macht». Denn damit sei ein Teil des
Problems, die «Verlockung durch den Imam», gebannt. Ein arbeitsloser junger Muslim
könne von radikalen Geistlichen leicht davon überzeugt werden, dass er alles
andere als rechtlos, einer von ihnen sei, «einer von den Leuten, die zum
Herrschen bestimmt sind.» Das seien dieselben Mittel, sagt Karl Schmitt, «mit
denen die Faschisten die Leute verführt haben». Er glaube, dass
Thilo Sarrazin mit seinen Hinweisen darauf, wie
sich unsere Gesellschaft entwickelt, Recht habe. Außerdem habe Sarrazin «Die Freiheit» von einer großen Last befreit:
«Wir freuen uns darüber, dass wir an der Reaktion zu Sarrazins
Buch feststellen konnten, dass wir nicht in einer kleinen extremistischen
Ecke stehen.» Wenn sie heute auf die Straße gingen, mit ihren Postkarten, mit
ihren Thesen, dann bekämen sie viel Zuspruch von den Leuten. Unverhohlen
unterstützt Karl Schmitt die darwinistischen Thesen Sarrazins.
Man müsse sich schon genau überlegen, dass man nicht einerseits die Ablehnung
von Darwins Theorien durch bibeltreue amerikanische
Christen verurteilen könne und dann Darwins Theorie
nicht auf die Gesellschaft anwenden. Meint Karl Schmitt. «Erfolgreiche Integration» Eine gelungene
Integration, wie muss die nach Karl Schmitts Auffassung aussehen? Nach einer
Pause, antwortet Schmitt langsam, dass alle gleichermaßen zu einem
friedlichen, toleranten Zusammenleben in der modernen Gesellschaft beitragen
müssten: «Wenn wir von der Modernen sprechen, dann meinen wir die
Aufklärung». Alle, die hier leben, müssten sich auch integrieren wollen. Es
sei dabei nicht so wichtig, ob sie unter sich lieber Russisch oder Chinesisch
oder «meinetwegen auch Tür-kisch» sprechen wollten.
«Aber problematisch wird's, wenn sich sehr große Gruppen bilden, die einen
ganz anderen Staat wollen und sich dem Gesetz der Scharia viel mehr
verpflichtet als unserer bürgerlichen Ordnung.». Wenn «andere Leute», etwa
aus dem rechten Lager, so etwas sagten, dann komme sofort das Strafrecht und
stelle fest, dass es sich bei ihnen um Verfassungsfeinde handele. Dann präzisiert Karl
Schmitt seine Haltung gegenüber Zuwanderern. Es könne ja nicht sein, sagt er,
dass man einerseits beklage, dass es in Deutschland zu wenige Kinder gebe und
man deshalb Einwanderung brauche, im nächsten Schritt man dann aber sage,
dass die Integration zu viel Geld koste. «Dann wäre ich dafür», sagt er,
«dass man dann lieber die eigenen Familien fördert». «Deutsche Werte» Wie sehen die
«deutschen Werte», die immer wieder durch die Programmatik der «Freiheit»
geistern, denn nun genau aus? Karl Schmitt zögert, überlegt und wird
ungewohnt unsicher. Rasch wirft er einen Blick in seine Unterlagen, doch auch
hier findet er keine Antwort. Die Frage war nicht abgesprochen. «Also», sagt
Karl Schmitt, «es ist nicht so, dass dies festgefügt und in Stein gehauen
wäre». Es gebe zum Beispiel eine «Kultur des 19. Jahrhunderts, die sich
deutlich von der des 20. Jahrhunderts» unterscheide, sagt er nun. Sicher, es
habe «bürgerliche Literaten» gegeben, die «bestimmte Sachen konserviert»
hätten, in der Literatur, versteht sich. Doch auch in seiner Partei sei man
sich darüber im Klaren, dass sich die «meisten Aspekte des Zusammenlebens» in
den letzten «100 bis 150 Jahren gewaltig verändert» haben. Und sich auch in
der Zukunft verändern werden. Als in der Zeit der Industrialisierung
unzählige polnische Einwanderer ins Ruhrgebiet, seiner eigenen Heimat, gezogen
seien, habe es dort unglaubliche Vorbehalte gegen die Neuankömmlinge gegeben.
Als er noch jung war, habe er solche Vorbehalte noch aus dem Mund seines
Vaters gehört. «Schnee von gestern», sagt Karl Schmitt. Heute sei es ja ganz
selbstverständlich, dass Polen im Ruhrgebiet leben. Das einzige, woran man
sie erkenne, seien ihre Namen, die «etwas polnisch klingen». Ansonsten habe
sich «alles assimiliert». Aber nicht in dem Sinne, dass die Polen sich jetzt
in jeder Hinsicht an die Deutschen angepasst hätten, sondern tatsächlich eine
«Mischung» entstanden sei. «Das ist völlig in Ordnung», resümiert Karl
Schmitt. Die «deutschen Werte» sollten, da ist er sich sicher, nicht genauso
aussehen, wie vor 100 Jahren. Was man aber aufrechterhalten wolle, seien die
«noch nicht uralten Werte» der Aufklärung. «Wenn wir unsere Werte verteidigen
wollen, dann ja, wir wollen Toleranz, die Freiheit, die wir heute haben. Es
sollte auch in Zukunft möglich sein, dass man politische Entscheidungsfindung
hat, dass man gemeinsam darüber nachdenkt, welche Gesetze brauchen wir,
welche Maßnahmen brauchen wir», gibt sich Schmitt plötzlich kämpferisch. Es
könne nicht sein, dass man dem Koran, einem «1.500 Jahre alten Buch», seine
Handlungsempfehlung entnehme, «wie es in der islamischen Welt stattfindet». «Prima miteinander friedlich leben» Bedrohen auch
russische und jüdische Kultur die «deutschen Werte»? Ist er mit dem Tempo der
Integration der Einwanderer aus dem postsowjetischen Raum zufrieden? Die
Fragen haben Brisanz, werden sie doch von einer russischsprachigen
Immigrantin geäußert. Karl Schmitt windet sich: «Wir wissen, dass es seit
Jahrhunderten so war, dass es immer wieder Zeiten gegeben hat, wo die Juden
verfolgt waren. Das soll auch nie mehr wieder vorkommen», sagt er. Und
inwiefern jetzt russische Juden «mehr Russen oder mehr Juden» seien, könne er
so gar nicht sagen: «Ich sehe da gar kein Problem. Ich glaube, dass wir prima
miteinander friedlich leben können». Dass die Leute, die hierherkommen,
gerade in einer fremden Gesellschaft und angesichts beruflicher Probleme ein
besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelten, könne er «gut verstehen». «Bei den Russen»,
erklärt Karl Schmitt, «haben wir zwei große Gruppen: russische Deutsche und
Russen jüdischen Glaubens.» Bei den beiden Gruppen könne er gut verstehen,
dass sie «russisch geprägt» seien, dass sie zwei Herzen in der Brust hätten.
«Ich weiß ja nicht viel darüber», bittet er um Verständnis, doch sei es ja
immer so, dass die erste Emigranten-Generation, immer...», Karl Schmitt beendet
den Satz nicht, sondern beginnt einen neuen: «Man weiß, es kommt immer mit
der nächsten Generation, dass es sich langsam auflöst.» Dann überlegt er noch
einmal, blickt in die Ferne und kommt zu dem Schluss: «Deshalb bin ich der
Meinung, dass das Tempo völlig okay ist». Wirklich problematisch ist das für
ihn ohnehin nicht, da Russland für ihn «zu Europa» gehört - und die jüdische
Kultur natürlich auch. Die Sache mit den Juden Wie der Zentralrat
der Juden in Deutschland zu seiner Partei steht, ist Karl Schmitt nicht
bekannt. Da man aber dessen, teilweise sehr kritische Äußerungen zu Thilo Sarrazin kenne, nehme man an, dass der Zentralrat «wohl
Vorbehalte» gegenüber der Partei habe. Im vergangenen
Dezember war Karl Schmitt erstmals in Israel. Eliezer
Cohen, ehemaliges Mitglied der Knesset, hatte sich mit einer Gegeneinladung
dafür revanchiert, dass er bei der Veranstaltung in Berlin mit Geert Wilders
dabei sein durfte. Man sei, so berichtet Schmitt von den Leuten, die man in
der «westlichen Presse als „Right Wing"
einordnen würde», mehr als freundlich aufgenommen worden: «Wir haben
festgestellt, dass es Leute gibt, zum Beispiel Vertreter von Siedlern aus dem
Westjordanland, die mit uns ihre Hoffnung verbinden. Weil die wissen ja, was
ihnen heute für ein Wind aus Europa entgegenweht.» Das hat Schmitts Eindruck
bestätigt, dass «Israel teil Europas ist». . . Wahlprognosen «Naja», sagt Karl
Schmitt, auf seine Erwartungen bezüglich der im September statt-findenden
Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus angesprochen: «Einzuziehen». «Wir sind
keine unrealistischen Träumer, Hoffnung macht uns die Reaktion auf der
Straße.» Man habe sich, betont er, deutlich von den «rechtsradikalen
Parteien» distanziert. «Wir hatten ein paar NPD-Mitglieder, die wollten bei
uns rein, wir hatten ein paar von „ProDeutschland", die wollten bei uns
rein, wir haben sie nicht in die Partei gelassen. Wir sehen uns als
Bürgerrechtspartei.» Man überlege, sagt Karl Schmitt, sogar ernsthaft, den
Namenszusatz der Partei zu ändern. Viele Leute bekämen es in den falschen
Hals, wenn sie das Wörtchen «rechts» hörten. «Wir glauben, dass wir eine
echte Alternative für viele Leute sein können» und er könnte damit Recht
haben. «Viele von uns kommen aus der CDU», sagt Karl Schmitt und meint damit
nicht nur sich und den Parteivorsitzenden Rene Stadtkewitz, sondern die
Mehrzahl im Parteivorstand. «Wir haben auch viele Mitglieder, die bei der
SPD, bei den Grünen, viele, die bei der FDP waren», erzählt er. Den
Pressesprecher der Partei, Thomas Böhm, erwähnt Schmitt nicht. Böhm, so wird
berichtet, war in den 70er Jahren noch bei der DKP. Viele der momentan 1.800
Mitglieder, sagt Karl Schmitt, waren noch nie in einer Partei. Diese, ebenso
wie die potentiellen Wähler, vermutet er «in der Mitte der Gesellschaft» und
verweist darauf, dass «Die Freiheit» mehr im Repertoire hat als
«Islamkritik»: Eurorettungsschirm und Atomkraft etwa, auch wenn er zugeben
muss, dass sich hier in der Partei die Geister scheiden. Karl Schmitt hat
zwei Kinder, beide studieren jetzt, hier in Berlin. Ob sie seine politische
Haltung teilen? Schmitt überlegt, die Frage beschäftigt ihn offenbar auch
selbst. «Naja», sagt Karl Schmitt, «Menschen unter 30 sehen die Dinge
manchmal ganz anders». "Jüdische Zeitung", №64, Juni
2011, |