Ab in den Westen

 

war der Titel einer Diskussionsveranstaltung der ostdeutschen Ländervertreter der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU.

In einigen Vorträgen wurde die besorgniserregende Situation deutlich gemacht. Bis zu 30% der jungen Leute im arbeitsfähigen Alter verlassen die neuen Bundesländer, um ihr berufliches Glück im Westen zu suchen.

Als Ursache hierfür wurden verschiedene Fakten vorgestellt:

Die Produktivität ist nach der Wende auf 60% des Westwertes angestiegen und verharrt seitdem auf diesem Wert. In der Bauwirtschaft ist dem Boom der Wendejahre ein Auftragseinbruch gefolgt, der in seinem Ausmaß auch als Zusammenbruch bezeichnet werden kann. Hierbei hat sich auch ein selbstverstärkender Effekt ergeben – durch die Abwanderung  stehen heute in Ostdeutschland etwa  400.000 Wohnungen leer; somit ist der Wohnungsneubau komplett zum Erliegen gekommen, was wiederum weitere Arbeitsplätze kostet und die Abwanderung noch verstärken dürfte.

Es wurde wiederholt betont, daß es in Ostdeutschland zu wenig international konkurrenzfähige Produktionsstandorte gibt, die als  „Leuchttürme“ das notwendige Geld in die jeweilige Region holen, damit sich um diese Standorte herum eine nichtsubventionierte Wirtschaft bilden kann.

Als Zielvorgabe zur Lösung des Problems sollen Wege gefunden werden um die abgewanderten jungen Ostdeutschen wieder zurückzuholen und zu „re-integrieren“

Fazit:

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sind, je nachdem wann man anfängt zu zählen, 2 bis 5 Millionen Ostdeutsche in bestem arbeitsfähigen Alter nach Westdeutschland abgewandert. Auch nach der Wende halt dieser Trend bis heute unvermindert an. Es ist jetzt zu spät, darüber nachzudenken, wie man diese Abwanderung verhindern kann, da die Leute schon weg sind und wohl nur ein kleiner Teil zurück kommen wird.

Als einziger Weg, um die jetzt überalterte ostdeutsche Bevölkerungsstruktur wieder ins Lot zu bringen, bleibt nur eine konsequente Ansiedlungspolitik. Die Abwanderung findet statt, weil sich zu wenig industrielle Kerne, die oben genannten „Leuchttürme“, gebildet oder niedergelassen haben. Die Entwicklung stagnierte in den letzten Jahren, da auch mit 80% Löhnen die ostdeutschen Betriebe mit 60% Produktivität wesentlich teurer arbeiten als in Westdeutsch­land oder sonst wo in der Welt.

In den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung hat die Treuhand viel Schaden angerichtet  dadurch, das sie bestehende DDR Kombinate unter ihrer Verwaltung auf eine angeblich wirtschaftliche Größe im Personalbestand zurückschrumpfte und dann vom Investor, der diese Firma dann übernahm, verlangte, daß er diesen Personalbestand hielt und kaum noch ändern konnte. Tatsächlich waren es die alten Kader, die in der Treuhandzeit darüber bestimmten, wer vom Personal gehen musste und wer bleiben konnte. Somit übernahm der Investor ein Konzentrat von alten Genossen, mit dem er die Firma kaum in die Wirtschaftlichkeit bringen konnte. Es wäre damals richtig gewesen, wenn der Investor zum Zeitpunkt der Übernahme eine personell leere Firma übernommen hätte, mit der Auflage, daß er dann vor Ort sein neues Personal zusammen sucht (sicherlich auch mit bewährten Genossen; aber nicht ausschließlich) um dann mit diesem neuen Mitarbeiterstamm beginnen zu können. Opel Eisenach hatte sein neues Produktionswerk auf der grünen Wiese errichtet, die Mitarbeiter vor Ort zusammen gesucht und war damit erfolgreich!

s. Rückseite

 

Heute, im Jahr 2001, wäre das gleich Vorgehen um 10 Jahre verspätet. Wir brauchen heute die Errichtung von industriellen Kernen in Ostdeutschland, dessen Personal europaweit gesucht wird. Derartige Kerne können in Ostdeutschland aufgebaut werden, wenn nicht nur die Fabriken, sondern auch die Wohnbezirke mit Schulen, Kindergärten usw. neu auf der grünen Wiese errichtet werden.

Um deutlich zu werden: Es ist für ein Produktionsunternehmen aus dem Raum Stuttgart (zum Beispiel) dann interessant in Brandenburg eine Produktionsstätte auf preisgünstigem Grund und Boden zu bauen, wenn dort auch hochqualifizierte, hochproduktive Fachkräfte verfügbar sind. Diese Fachkräfte - und dazu gehört auch das auf Hochleistung eingeübte Facharbeiterteam der Produktion - hätte ein gutes Motiv zum neuen Produktionsstandort zu ziehen, nicht weil sie dort besser verdienen, sondern weil sie dort bei gleichem Lohn wie in Stuttgart ein Häuschen auf einem für sie bezahlbaren 1000 m² Grundstück bauen können. Die Idee ist aber nur dann attraktiv ,wenn sie Nachbarn vorfinden, die sie nicht als Feinde behandeln und wenn Schulen, Kindergärten, öffentliche Einrichtungen und die Zufahrtsstraßen dem gewohnten hohen Standard, wie in Westdeutschland üblich, entsprechen.

Wer den Gedanken an derartige „Wessi- Enklaven“ nicht mag, der möge bessere Vorschläge auf den Tisch legen, wie der aktuelle Trend der Entvölkerung Ostdeutschlands gestoppt werden soll. Das Auffüllen der entstandenen Lücken mit niedrig qualifizierten Ausländern dürfte erstens den Grundstein für zukünftige ethnische Konflikte legen und zweitens kaum zu den dringend benötigten neuen Produktionsstandorten führen.

Schließlich ist die Ansiedlung von Fachleuten aus anderen Teilen Europas gute und erfolgreiche preußische Tradition; siehe zum Beispiel das Holländische Viertel und die Russische Kolonie in Potsdam oder das von Hugenotten gegründete „Französisch Buchholz“ im Norden Berlins.

 

Karl Schmitt

16.01.00